Aus meiner Sicht gibt es in dem ganzen "agilen Trend" ein paar blinde Flecken.
1) Die im "Manifest für agile Software-
entwicklung" (2001) festgehaltenen Grundgedanken und Prinzipien sind/waren für die IT Branche neu und revolutionär. Sie haben dort viele Probleme der Praxis gelöst.
2) In anderen Branchen oder Umfeldern war/ist eine vergleichbare Art zu arbeiten bereits etabliert - sie hieß/heißt nur anders.
3) Mit der Qualität des C-Level steht und fällt die Möglichkeit Agilität wirklich zu praktizieren.
4) Die Menschen sind in ihrem Handwerk nicht besser, weil sie jetzt "agil" arbeiten. Sie werden besser, weil ihnen mehr Frei-
raum und Zutrauen gegeben wird und weil sie Raum und Zeit für Lernen und Entwicklung haben.
5) "Agilität" ist weder ein Allheilmittel, noch eine Wunderwaffe. Es ist einfach eine wirklich gute, für viele Unternehmen anwendbare Art zu arbeiten.
Agilität basiert auf bewährten und wirklich lang schon erprobten Praktiken. Wirklich neu sind die technischen Möglichkeiten der letzten 10 - 15 Jahre.
Hewlett Packard und seine "Rules of the garage" werden als Pioneere des Silicon Valley angesehen. Das Unternehmen wurde 1939 gegründet und ist seither bekannt für seine besondere Unter-
nehmenskultur und Haltung dem Menschen gegenüber, die u.a. 1958 in einigen Leitsätzen konkretisiert wurden. 1999 wurden die "Rules of the Garage" für eine interne Kampagne verfasst.
Schon seit 1950 war bei Toyota KANBAN ein gängiges Vorgehen, um die Produktion zu steuern. Mit seinem Toyota Production System wurde Toyota zum Vorreiter von dem, was heute als "Just-in-time", Lean und KANBAN weltweit bekannt ist.
Bereits in den 1980er Jahren wurden u.a. bei Hewlett Packard, Honda, Fuji-Xerox u.a., die Produktentwicklungswege untersucht und mit dieser Recherche die Grundsteine gelegt, für das, was heute SCRUM genannt wird (s. Artikel "The new new Product Development Game" (1986)).
Die Engpass Konzentrierte Strategie (kurz EKS) ist eine seit 1970 etablierte Herangehensweise an die Ausrichtung von Unternehmen und Geschäftsmodellen, die viele Parallelen zu dem aufweist, was heute "agil" heißt.
In Summe sind das aus meiner Sicht gute Nachrichten ;-).
Wer sich auf die Reise in die agile Arbeitsweise macht, kann sich auf international sehr renommierte und erfolgreiche Unternehmen und deren Praktiken stützen und sitzt mit Sicherheit keinen "jungen wildgewordenen Beratern" auf.
Zumindest, was die schon lange Geschichte der Grundzüge agilen Arbeitens angeht... ;-).
Agilität auf den Punkt gebracht:
"Deliver the highest sustainable value in the shortest lead time possible." (Dean Leffingwell)
"Liefere den höchsten nachhaltigen Mehrwert in der kürzest möglichen Zeit zwischen Idee/Anfrage und Auslierung (= lead time) aus."
Agilität liefert viele Ansätze und Vorgehensweisen, um zu zeigen, wie Menschen sinnvoll und nachhaltig zusammen arbeiten können.
- Schnelles Feedback,
- Workdemonstrations
(auch wenn nur wenig fertig ist),
- kontinuierliche Verbesserung,
- Aufheben von Engpässen und
Verschwendung,
- kurze Zyklen,
- volle Transparenz,
- eindeutige Zusagen,
- crossfunktionale Teams,
- viel Kontakt/Kommunikation im Team,
mit Stakeholdern und Kunden,
- weg lassen, was nicht gebraucht wird
- Eigenverantwortung und
Selbstorganisation
... - die Liste typischer Verhaltensweisen und Muster lässt sich fortsetzen.
Klar ist auch, dass nicht alles davon auf jede Situation passt. Sondern dass anhand der Ausgangslage und Zielsetzung/Vision geprüft werden muss, WIE, WAS genau, durch WEN, WOZU geändert und erreicht werden soll.
Das Alignment von Vision über Strategie zu taktischer Steuerung und operativer Umsetzung muss stimmen, dann funktionieren die "agilen Werkzeuge" auch und die Teams liefern tatsächlich den höchsten nachhaltigen Mehrwert in der kürzest möglichen lead time für ihre Kunden.